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Nachruf Stefan Peter Andres


Hochschulen brauchen Gesichter. Markante Menschen, die zum Denken und Arbeiten ermutigen, die durch ihr Handeln die Kolleg:innen und die Studierenden gleichermaßen aktivieren. Stefan Andres war für viele Jahre das Gesicht für die Stadt- und Raumplanung an der FH Erfurt. Ob im Imagefilm oder beim Interview mit Print, Radio und Fernsehen –  Stefan hat uns gerne und häufig vertreten. Seine Gabe ist es gewesen, präsent zu sein und aufzutreten, Klarheit auszustrahlen. Das hat unseren Studiengang nachhaltig geprägt. Mit dem Wissensfundus aus seinen Aktivitäten als Quartiers- und Altstadtmanager, Mediator und Spaziergangswissenschaftler hat er viele Perspektiven gedacht und erprobt und er hat uns bei diesen Unternehmungen gedanklich mitgenommen.
 
Bei Stefan floss wissenschaftliches, kulturelles und soziales Engagement in einer Person zusammen und verknüpfte Hochschule und Stadtgesellschaft. So schuf er zahlreiche Anknüpfungspunkte für ein angewandtes, kreatives und relevantes Studium. Stefan war über viele Jahre pure Energie, er hatte immer eine Idee auf der Zunge, ein Projekt im Kopf, quirlig und extrovertiert. Das war eine seiner großen Stärken: den Impulsen nachzugehen, die Ideen zu umarmen genauso wie die Menschen, mit Freude jedem neuen BA1-Jahrgang im Studiengang Stadt- und Raumplanung entgegenzusehen. Oft fragten wir uns, wie er es schaffte, seine zahlreichen Vorhaben und Verpflichtungen zu organisieren und abzuarbeiten. Er spazierte oft direkt los, war häufig als erster da. Eine Arbeitsgruppe zur Neufassung des Studiengangs oder zur Raumnutzung in der Schlüterstraße wird gebraucht? Stefan fand immer Zeit. Wer ein Anliegen in der Hochschule hatte, im Studium, mit der Raumbuchung oder mit dem Stundenplan, Stefan war für viele der erste Ansprechpartner, denn alle wussten: er kümmert sich, zumindest über lange Zeit.
 
Stefan Andres hat von 1991 bis 2000 Stadtplanung in Kassel studiert, unter anderem auch bei Lucius Burckhardt. Inspiriert durch diesen Einfluss war das Thema Spaziergang und Spaziergangswissenschaft in seiner beruflichen Laufbahn stets präsent. Spaziergangswissenschaft – Praxis einer wertschätzenden und auch einer kritischen Strollologie: das Wahrnehmen verlangsamen, Eindrücke austauschen, Raumsituationen und räumlicher Praxis reflektieren. Auch: Veränderungen und Persistenzen anders besprechbar machen, den Körper bewusst in das Denken integrieren. Und: Freude an der Stadt, zum Beispiel bei den kulinarischen Stadtspaziergängen. Als Quartiersmanager nutzte Stefan die Spaziergänge, um gemeinsam mit der Bewohnerschaft des Stadtteils die Lebenswelten zu erkunden, Probleme aufzudecken, Lösungen zu finden und dabei ganz nebenbei das Interesse der Bewohnerschaft an ihrem Umfeld zu forcieren. Zusammen mit Frank Mittelstädt hat Stefan im Jahr 2013 den Erfurter Verein Rock’n‘Stroll gegründet und damit die Spaziergangswissenschaft nach Erfurt geholt. 
Stefan Andres prägte am Studiengang die Module der „Planungskommunikation – Moderation und Prozessmanagement“ sowie „Kommunikationsprozesse und Mediation in der Planung“. Er füllte sie mit großer Begeisterung und tiefer Überzeugung für eine partizipative Stadt- und Raumentwicklung aus. Dazu trugen sein fachlicher Hintergrund und die hohe eigene Kompetenz bei, die er sich als Quartiersmanager in Dortmund und Weimar erworben hatte. Mit seiner anschaulichen theorie- und praxisgeleiteten Lehre qualifizierte Stefan Andres die Studierenden in besonderer Weise für die kommunikative Planung, wie dies aus der Berufspraxis immer wieder sehr wertschätzend rückgemeldet wurde. 
In seinen Veranstaltungen sensibilisierte Stefan die Studierenden nicht zuletzt für die Planung für Menschen mit Beeinträchtigungen. Er zeigte den angehenden Planer:innen, wie anders sich das Leben in der Stadt in einem Körper mit Beeinträchtigungen anfühlt. In Stefans Stil: rein in den Rollstuhl, Augenbinde auf, Altersanzug an. Stefan forderte dazu auf, alltägliche Wege drauf hin zu überprüfen, ob sie überhaupt mit Beeinträchtigung machbar sind, Barrieren zu finden, die vielleicht vom Schreibtisch aus nicht auffallen. 

Im Alumni-Verein SuRban e.V. engagierte sich Stefan Andres lange Jahre als erster Vorsitzender. Er trug maßgeblich zur Etablierung des Netzwerkes der Ehemaligen bei, entwickelte kreative Ideen und setzte sie auch um, wie beispielsweise die Projektförderungen für Studierende und den SuRban-Preis für die mutigste Abschlussarbeit der Fachrichtung Stadt- und Raumplanung. Stefan war überzeugtes Mitglied in der Gewerkschaft GEW und im Personalrat. Ein großes Anliegen war es ihm, sich für bessere Arbeitsbedingungen der Lehrkräfte für besondere Aufgaben (LfbA) einzusetzen. 
Stefan war für uns im Studiengang und auch innerhalb der Fakultät eine integrierende Person, die in einem Team, das ständig den Fliehkräften des Wissenschaftsbetriebs ausgesetzt ist, für Zusammenhalt sorgte. Nur ein kleines Beispiel: Er gründete zusammen mit Frank Stehl und einer wechselnden Besetzung aus anderen Lehrenden und Studierenden eine Fakultätsband: Der Sound seiner Mundharmonika hat uns zum Hören, Singen und Lachen gebracht, und dabei den Keller der Schlüterstraße zum Gartengeschoss gemacht. In Modulen zur Musik der Stadt stand er mit Studierenden gemeinsam auf der Bühne der Erfurter Soziokultur, die er selbst so vortrefflich verkörpert hat. Der Refrain zum traditionellen Loch Lomond wird noch lange hörbar sein, mit dem wir ihm nachrufen: „You’ll take the high road and I’ll take the low road...“ Stefan ist, wie so oft in seinem Leben, auch jetzt schon einmal vorausgegangen.


Lieber Stefan, ruhe in Frieden.
Deine Kolleg:innen der Fakultät Architektur und Stadtplanung